Edgar: The Interview (S1E1)
Edgar is a true lad from Neukölln, Berlin. For over 70 years he’s lived in the same house in the Sonnenallee. In the 1940s, he worked at Berlin’s “red city hall”. His duty: to check prostitutes’ health certificates. He learned a lot in that time. When I meet him, he wallows in memories. He takes me back to a Berlin destroyed by bombing, talks of romances with chorus girls from the Wintergarten theatre and farmers’ daughters, and looks back on his life with satisfaction.
1. Wie würdest du dich beschreiben? / How do you see yourself?
Ich bin ein Mann mit einer liebenswerten, warmherzigen Ausstrahlung. Könnt‘ ick sagen. Manche haben ne schnotterige Schnauze und kommen nicht an. Ich spreche über die Themen geradezu, wie sie sind. Wie sie wirklich sind. Aber manche Menschen haben Angst vor der Wahrheit. Ick nich. Wir wollen doch wohl vor der Wirklichkeit nicht die Augen verschließen, denn würden wir uns nämlich selber betrügen.
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I am a loveable, warm-hearted man, I’d say. Some people have a foul tongue and don’t get themselves across. I talk about things as they are. As they really are. But some people are afraid of the truth. Not me. We mustn’t close our eyes to the truth, or we’d be kidding ourselves.
2. Was sind deine besten Eigenschaften? / What are your best characteristics?
Ich bin zu stürmisch, zu wild. Meine Cousine, wenn die anruft, sachtse, „Na?“ sachtse, „Sprech ich mit dem super sexy Boy aus Rixdorf?“. Ich sache, weeste, stimmt nich mehr ganz. Super kannste streichen. Man kann auf wunderbare Weise sein Gedankengut mit seinem Gesprächspartner austauschen. Ohne det man laut wird, ohne det man schimpft. Aber das können viele nich, die haun aufn Putz. Also meine Zeit ist viel zu kostbar, aufn Putz zu hauen oder laut zu werden oder nen andern übern Mund zu fahrn. Solche Eigenschaften, die hab ick nich!
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I’m too rough, too wild. My cousin, when she calls, she says, “All right?“ and “Am I speaking to the super sexy boy from Rixdorf?“ I say, “You know, that’s not really the case anymore. You can leave out the ‘super’“. You can have a wonderful chat with the person you happen to be talking to. Without getting loud, without swearing. But a lot of people aren’t capable of that. They kick up a fuss. My time is too precious to kick up a fuss or be loud or cut someone short. I don’t have those kinds of characteristics!
3. Und deine 3 schlechtesten? / And your worst?
Hab ick nich.
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I don’t have any.
4. Worüber hast du dich zuletzt gestritten? / What was your last argument about?
Zu dem Begriff Streit, für son Quatsch ist mir meine Zeit zu kostbar. Weil jede Stunde eine Kostbarkeit ist. Und den Satz, den ich jetzt sage, den hat mir meine Mutter schon erzählt, da war ich 30 Jahre alt. Unser Leben geht schnell dahin, als flögen wir davon. Wenn ick meine schönen Bilder ansehe, in den 1950er Jahren mit meiner hübschen Jolle (Segelboot)- war das eine goldene Zeit. Wenn man jung ist, denkt man ja nicht an den Tod und was wird morgen sein, weil man im Bewusstsein hat, man hat noch eine große Wegstrecke vor sich. Ich weiß ja wie’s aufm Schlachtfeld aussieht. Jede Stunde ist kostbar.
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With regards to arguments, my time is too precious for that sort of nonsense. Every hour is precious. The sentence I will now quote is something my mother told me when I was 30 years old: Our life passes quickly, as if we were flying away from it. When I look at the nice pictures I have, the ones taken in the 1950s with my pretty sailing boat, I see that as a wonderful time. When you’re young, you don’t think about death or what tomorrow will bring, because in your mind you still have a long road ahead of you. I know what it looks like on the battlefields. Every single hour is precious.
5. Wann fühlst du dich einsam? / When do you feel lonely?
Es gibt Menschen, die fühlen sich so furchtbar einsam. Es ist ja meistenteils so, es liegt ja bei jedem selber. Wenn ick nicht einsam sein will, dann sollte man von sich aus eine Ausstrahlung haben. Und wenn jemand rummuffelt und sich selbst zurückzieht, wie ne Schnecke in ihr Häuschen, ja dit wird nüscht. Mit einem liebeswerten und warmherzigen Wort kann man so viel machen.
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There are people who feel terribly lonely. And that often is the case. But it depends on you. If you don’t want to be lonely, you need to radiate something. If you go around feeling grumpy and hide yourself away like a snail in its house, then nothing will happen. With a kind and warm-earted word you can do so much.
6. Was macht dich traurig? / What makes you sad?
Der Todesfall meiner Frau, da war ich traurig natürlich. Einer ist immer der Erste, der die Welt verlässt. Der vorletzte Tach in ihrem Leben, da hab ich noch ihre Hand gehalten. Ich sach: „Ursel, ich danke dir für die wunderschöne Zeit. Bis morgen.“. Am nächsten Tag sagt die Schwester: Ihre Frau ist heimgegangen!
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The death of my wife. That made me sad of course. One of you always leaves the world first. The day before her last, I held her hand, and said, “Thank you for the wonderful time. See you tomorrow.“ The following day the nurse told me: “Your wife passed away.“
7. Was macht dich glücklich? / What makes you happy?
Meine Zufriedenheit und meine Dankbarkeit, das macht mich glücklich. Und wenn ich an meine Frau denke. Das Ineinanderaufgehen, die Harmonie, seelisch und körperlich Eins sein: das ist das Glück! Und das wünsch‘ ich jedem, der es nicht hat.
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My contentment and my gratitude, that’s what makes me happy. And when I think about my wife. Merging with someone, the harmony, being one both spiritually and physically: that’s happiness! And I wish it on everyone who doesn’t have that.
8. Wie schafft man es, ein glückliches Leben zu führen? / How does one lead a happy life?
Man muss in dem Grunde sein wie ein Student, als ob ich zu einer Vorlesung gehe. Dann muss man auch den Mut haben: Ick will dit wissen, ick zieh das durch, ein Mal in meinem Leben muss ich das studiert haben. Der so denkt- zieh‘ ich n Hut. Aber, ach! Es gibt ja so viele Pfeifen, die ham ne große Klappe, können nur erzählen und meckern und det is allet. Ob das Männer oder Frauen sind is dat selbe. Woher wees ick dit? Weil ich allet durch habe.
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You should be like a student basically, a student going to a lecture. Then you have to have the courage to say: this is what I want to know, I’ll see this through, I want to have studied this just once in my life. I take off my hat to anyone who thinks like that. But, oh! There are so many idiots with a big mouth, they can only blabber and complain and that’s all. No matter whether they’re men or women. How do I know that? Because I’ve seen it all.
9. Was bereust du? / What do you regret in life?
Ick hätte gerne die Mutter meiner Tochter geheiratet. Die wohnte mit Muttern in Stube und Küche in Kreuzberg in einem dusteren Hof. Damit ick mit hinziehe wollte die ihre Mutter in der Küche schlafen lassen, damit wir dit Zimmer haben. Also sowas hab ich doch nicht übers Herz gebracht. Ich lass doch nich ne alte Mutter in der Küche schlafen! Und außerdem, das Scheißhaus war draußen auf der Treppe. Für uns und die Nachbarn. Na vielleicht stell ick mir morgens zum Scheißen an?! Nein, in diese Welt wollt ick nich. Und außerdem, wenn die nach draußen musste zum Klosett auf die Treppe, denn hätte sie müssen durch unser Schlafzimmer gehen. Nu bin ich grade beim Bumsen bei jetzt kommt Schwiegermutter, aaaach! Nein nein nein. Ich bereue, dass ich sie nicht geheiratet habe aber geheiratet hätte, wenn die Gegebenheiten anders gewesen wären. Aber dit wollt ich nich. Ich wäre seelisch kaputt gegangen. Da würde ich heute gar nicht mehr leben.
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I would’ve liked to marry my daughter’s mother. She lived with her mother in a small flat in Kreuzberg in a dark backyard. She wanted me to move in and have her mother sleep in the kitchen, so we’d have the other room to ourselves. But I didn’t have the heart to do that. I wouldn’t let an old mother sleep in the kitchen! And moreover, the loo was outside on the staircase. We shared it with the neighbours. So I’d have to stand in a queue to take a shit in the morning? No, I didn’t want to live in that kind of world. The other thing was that if she had to go the toilet out on the staircase she’d have had to go through our bedroom to get to it. I might be in the middle of shagging and now my mother-in-law comes walking in, ooooh no! No, no, no. I regret I didn’t marry her. I would’ve married her had the circumstances been different. But I didn’t want to live that way. It would’ve ruined my spirit. I would have died a long time ago.
10. Was würdest du gern noch erleben? / What would you still like to experience?
Ich war so glücklich im Jahre 1950, 51. Da möchte ich noch ein Mal so ne kleine Segeljolle haben. Ich will im kommenden Jahr wieder segeln und Motorboot fahren. Ich bin ja nun keen alter greiser Uropa, sondern ich bin ja noch ein wilder sexy Boy.
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I was so happy in the years 1950, and ‘51. I’d like to have a little sailing boat again. Next year I want to go sailing and go on a motorboat. After all, I’m not an old and grey granddad, I’m still a wild, sexy boy.
11. Woran erinnerst du dich gern? / Share some nice memories with us:
Schöne Reisen mit meiner Frau, gesegelt, Motorboot gefahren, ganz wilde charmante Stunden gehabt, noch wilder gab’s gar nicht. Ick seh sie heute noch so sitzen in ihrem hübschen Kleid! Die vielen Möwen. Dann denk ich, könnt ich doch noch einmal diesen wunderschönen Tach zurück haben.
Ick gehörte zu den Bediensteten des Roten Rathauses in Berlin. Ick war bei der Sittenpolizei. Ick war 9 Monate bei den charmaten Damen des waagerechten Berufes. Die Mädchen die warn nett. Die mir allet beigebracht haben, die eene war 69 und 71.
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Lovely trips with my wife, going out on a motorboat. We had some wild, charming times, it couldn’t get any wilder. I can still see her in her pretty dress! And the many seagulls. And then I think: if only I could have that beautiful day again.
I was one of the employees at the “red city hall“ in Berlin. I was in the vice squad. I spent nine months with the charming ladies from the red light district. The girls were nice. They taught me everything when it comes to sex. One woman was 69 and another 71.
12. Was sind deine schlimmsten Erinnerungen? / What bad memories do you have?
September, Kriegsbeginn. Berlin wurde finster bis zur Kapitulation. Ich stand vorm Kadewe und konnte bis in den Keller gucken. Nur noch Schutt. Ich hab so geweint. Ich bin an so vielen verbrannten Leichen vorbei gegangen. Dit war für mich damals so entsetzlich: Nen hübsches junges Mädchen, die ganze Seite war verbrannt! Aaaach, aaaaach war dit schlimm.
Damals hatte ich eine Freundin. Sie war Revue Girl im Wintergarten. Ich wurde eingezogen und wir haben uns Briefe geschrieben. Doch dann hat sie sich nicht mehr gemeldet. Als ich eines Tages vor der Tür stand meinte ihre Oma: „Junger Matrose, sie kommen zu spät. Meine Enkelin ist nach einem Luftangriff in der Friedrichstraße von einer Fliegerbombe zerrissen worden.“ Das war das Ende von einer großen Liebe. Siehste, sowas hab ick alles in meinem langen Leben erleben müssen.
Und mein Vater, den ich nicht kennengelernt habe, der war bei Verdun. Der zupfte sich Tag und Nacht die Flöhe aus der Uniform, 3x verschüttet, 3x Sprache und Gehör verloren, Handgranatensplitter wanderten in seinen Körper, bis sein Leben zu Ende war im Jahre 1926. Det war n armer junger Mann. 30 Jahre alt. Meine Mutter war nur 3 Jahre verheiratet. Das waren die Nachwirkungen der Kriege. Dit wat ick erzähle, det kannste nachlesen im Buch. Meine Augen haben das aber gesehen.
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The start of the war on 1 September. Berlin went dark, until it surrendered. I stood in front of the Kadewe department store and could see right into the basement. It was just rubble. I cried so much. I walked past so many burnt bodies. There was a moment that upset me terribly: a pretty young girl, one side of her completely burnt! Oh, that was horrible.
I had a girlfriend at the time. She was a chorus girl at the Wintergarten theatre. I was called up for military service and we wrote letters to each other. But then I stopped hearing from her. One day I stood on her doorstep and her grandma came out and said to me, “Sailor, you’re too late. My granddaughter was ripped to shreds by an aircraft bomb after an air raid in the Friedrichstraße.” That was the end of a big love. You see, those are the sorts of things I’ve had to experience in my long life.
And my father, whom I never met, he was in Verdun. He plucked out the fleas from his uniform every day and night. He was buried under rubble three times, lost his speech and hearing three times, hand grenade splinters wandered around in his body, until his life came to an end in 1926. He was a poor, young man. 30 years old. My mother was only married to him for three months. Those were the consequences of the war. You can’t read about what I’m telling you in a book. But I saw it with my own eyes.
13. Was ärgert dich? / What makes you angry?
Vom 30gsten Lebensjahr an habe ich beerdigt die Begriffe: schnell, gleich, sofort, eilt. Damals hätte ich so gerne mit dieser Kollegin oder mit jenem Kollegen mal 5 Minuten gesprochen. Aber sie sachten immer dasselbe: Kollege, keine Zeit. Und die das sagten, sind schon alle tot. Nu ham se endlich Zeit.
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From the age of 30 onwards, I said goodbye to the concepts: fast, right away, immediately, urgent. I would’ve loved to have just had a five-minute chat with this or that colleague. But they always said the same thing: No time, colleague. All the people that said that to me are dead now. Now they finally have time.
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